Sandsäcke statt Schützenfest
Binnen fünf Stunden stellt Feuerwehr Hochwasser-Truppe
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Kreis Paderborn (WV). Sie verzichten aufs Schützenfest, werfen einen Kurzurlaub über Bord oder lassen Freizeitausgleich für Überstunden sausen. Binnen fünf Stunden sind am Freitag 80 Feuerwehrkräfte aus dem gesamten Kreis Paderborn einem Hilferuf aus ostdeutschem Hochwassergebiet gefolgt. Der rote Konvoi setzte sich am frühen Nachmittag Richtung Elbe in Bewegung.
Eine Frau und 79 weitere Helden: Eigentlich wollte Birgit Schmigelski (49) an diesem Wochenende Schützenfest im heimatlichen Oberntudorf feiern. Ein Faxschreiben der Bezirksregierung um 8.14 Uhr an die Feuerwehr-Leitstelle in Büren-Ahden ändert alles. »Dies ist doch wichtiger als Schützenfest, und Schützenfest kommt jedes Jahr«, sagt die zweifache Mutter, packt ihre Sachen und meldet sich zum Hochwassereinsatz.
Der Paderborner Rettungssanitäter Benedikt Michaelis (31) aus Kohlstädt wollte dieses Wochenende am Sandstrand des Lippesees ausruhen, die Sonne genießen und Wasserski fahren. Statt im Sand in Sande schaufelt er jetzt Sand in Säcke an der Elbe bei Magdeburg. Eine Knochenarbeit.
»Ich bin stolz auf Euch«, verabschieden Kreisbrandmeister Elmar Keuter (50) aus Altenbeken und Landrat Manfred Müller (52) die 80 Feuerwehrkräfte, die unter Leitung des Vize-Kreisbrandmeister Bernhard Lücke (60) aus Fürstenberg zum Deichschutz nach Schönebeck südlich von Magdeburg ausrücken. Mehr als 41 000 Sandsäcke aus dem Kreis Paderborn sind schon im Laufe der Woche nach Schönebeck geschickt worden. Die wollen gefüllt werden.
Nach dem morgendlichen Fax-Schreiben der Bezirksregierung mit dem Hilferuf aus der kleinen Stadt Schönebeck, die vom Elbe-Hochwasser gequält wird, legt Keuter wie die Feuerwehr los. Er kauft im SB-Zentralmarkt Friedhoff in Paderborn 80 Feldbetten. Die eigenen Pritschen sind nämlich längst beim Technischen Hilfswerk (THW) Paderborn, das mit 26 Kräften schon seit Mittwoch in Schönebeck ist. Auch Paderborner DLRG-Kräfte sind dort.
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Gegen 13 Uhr sind an der Kreisfeuerwehrzentrale in Ahden Fahrzeug an Fahrzeug zum Abmarsch nach Schönebeck aufgereiht. Die 79 Männer und eine Frau aus fast allen Kommunen des Kreisgebietes führen auch ein Boot mit. Sie richten sich darauf ein, die nächsten fünf Tage mit Sandschaufeln und Deichsicherung zu verbringen.
Elmar Keuter hat vom Caterer »Menü Meyer« (Büren) vorsichtshalber für zwei Tage Verpflegung (Kartoffelsalat und Frikadellen) in den Transportwagen laden lassen. Damit ist die Paderborner Hochwasser-Einsatztruppe zunächst nicht auf die geplante Versorgung durch das DRK Lippe angewiesen. Westfalen gehen lieber auf Nummer sicher und nehmen auch reichlich Getränke an Bord. Vom THW-Einsatzleister Christoph Wiegand aus Salzkotten haben sie den Tipp erhalten, Mückenspray und auch Sonnencreme mitzubringen. Der Rat wird befolgt
Feuerwehr, THW und DLRG: Die Paderborner Solidarität mit Menschen in Hochwassergebieten ist groß. »Wir haben unser Hochwasser in 1965 mit mehreren Toten nicht vergessen«, sagt Landrat Manfred Müller.
1700 Helfer aus OWL an der Elbe im Einsatz
Magdeburg erwartet Rekordhochwasser – Soldaten und Feuerwehr angefordert
Bielefeld/Schönebeck (WB). Für die Elbe werden am Wochenende auch im Raum Magdeburg Rekordpegelstände erwartet. Etwa 1700 Helfer aus Ostwestfalen-Lippe sind dann vor Ort, um Menschen und Ortschaften vor den Fluten zu schützen.
Von Wolfgang Schäffer
Bereits seit einigen Tagen sind fast 90 Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) in Schönebeck bei Magdeburg (Sachsen-Anhalt) unermüdlich im Einsatz. Nun haben sich am Donnerstag und Freitag auch die Pumpengruppen aus Gütersloh und Detmold auf den Weg gemacht, um in Stendal und Schönebeck zu helfen. 200 weitere THW-Helfer aus Gelsenkirchen und Bochum trafen am Freitag im Bereitstellungsraum Bielefeld ein, wo sie mit Ausrüstung und Verpflegung versorgt und über die Lage vor Ort informiert wurden.
Die ist nach Beschreibung von Michael Klestner, Zugführer des Ortsverbandes Herford, ziemlich dramatisch. »Das Wasser steigt enorm schnell. Wir kommen mit dem Stapeln der Sandsäcke kaum nach. Dazu die Hitze. Unsere Leute sind alle ziemlich kaputt.« Einer der Helfer musste nach einem Zusammenbruch sogar schon in der Klinik behandelt werden. Auch aus diesem Grund dürften sich die Kräfte vor Ort freuen, dass mit 250 Feuerwehrleuten aus den Kreisen Gütersloh, Lippe, Höxter und Paderborn Helfer aus OWL auf dem Weg nach Schönebeck sind. Weitere 250 Kräfte sind in Alarmbereitschaft.
Ganz groß schlägt die Panzerbrigade 21 Lipperland aus Augustdorf unter der Leitung von Brigadegeneral Harald Gante im Flutgebiet an der Elbe auf. 1300 Soldaten des Logistikbataillons 7 sind mit Bussen und etwa 80 Radfahrzeugen in Marsch gesetzt worden, um im Raum Magdeburg gegen die Folgen des Hochwassers zu kämpfen. Mehr als 800 Soldaten aus Schwarzenbeck und Unna sind ebenfalls unterwegs.
Während in Großteilen Bayerns aufgeräumt wird und im Raum Deggendorf die Folgen des Hochwassers immer noch nicht abzusehen sind, halten die Menschen in Bitterfeld den Atem an, und im Norden wachsen die Sorgen. Jüngsten Prognosen zufolge soll das Hochwasser in den Bereichen Hitzacker und Lüneburg den Höhepunkt am Mittwoch erreichen.
Druck auf die Dämme wächst
Flutwelle bewegt sich auf Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zu
Magdeburg (dpa). Das Hochwasser hält die Menschen an Elbe und Donau nach wie vor in Atem. Der höchste Punkt der gewaltigen Flutwelle auf der Elbe bewegt sich derzeit auf Sachsen-Anhalt zu. Mindestens sieben Menschen starben, seitdem in Deutschland die Hochwasserkatastrophe begonnen hat. Mehrere werden vermisst.
Sachsen-Anhalt
Gewaltiger als ursprünglich angenommen wird die Flut hier eintreffen. Der Pegelstand hatte am Freitag die Sieben-Meter-Marke in Magdeburg überschritten. Beim verheerenden Hochwasser 2002 waren es 6,72 Meter. Normal sind für die Elbe dort knapp zwei Meter. Wie der Krisenstab der Landesregierung mitteilte, werden nach neuesten Prognosen die Pegelstände 7,40 Meter erreichen. Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld sind 10 000 Menschen aufgerufen, ihre Wohnungen zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Arbeiter versuchen ein Leck zu schließen, das sich im Erdreich zwischen zwei Seen gebildet hat.
Brandenburg
In Brandenburg wird die Kleinstadt Mühlberg wegen des Elbhochwassers geräumt. »Die Stadt ist nicht mehr sicher«, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Am Freitag Mittag hatte der Elbe-Scheitel die 2100-Einwohner-Stadt erreicht. Der Wasserstand lag mit 9,88 Metern zehn Zentimeter unter dem der Flut 2002. Ausgelegt sind die Deiche dort auf zehn Meter Wasserhöhe. Der Druck auf die Dämme ist jedoch enorm.
Bayern
In Bayern, wo es stellenweise noch dramatisch aussieht, zieht sich das Hochwasser langsam zurück und die Pegelstände fallen. Unübersichtlich ist die Lage noch im Raum Deggendorf. Allerdings steigt dem Deutschen Wetterdienst zufolge die Neigung zu Schauern und Gewittern. Die Wasserstände könnten wieder leicht steigen.
Niedersachsen
In Hitzacker wird nach der derzeitigen Prognose wie beim Hochwasser 2011 am Mittwoch ein maximaler Wasserstand von 7,70 Metern erwartet. In Neu Darchau könnte der Höchststand ebenfalls am Mittwoch mit 7,65 Metern erreicht sein – das würde den bisherigen Rekordwert von 7,49 Metern aus den Jahren 2006 und 2001 übertreffen. Die Lage sei schwer vorherzusagen und könne sich stündlich ändern, heißt es.
Helfer
Bundesweit stemmen sich 70 000 Feuerwehrleute, mehr als 11 300 Bundeswehrsoldaten sowie eine nicht zu beziffernde Zahl an THW-Kräften gegen die Flut. Bielefeld ist derzeit Bereitstellungsraum für das THW in NRW, da die Stadt der östlichste Punkt des Landes ist. Nachdem bereits 250 Feuerwehrleute der Bezirksreserve unterwegs sind, stehen weitere 250 Wehrmänner aus Bielefeld, den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke in Alarmbereitschaft. Erst wenn das Innenministerium in Düsseldorf von den Kollegen eines anderen Bundeslandes – wie am Freitag aus Sachsen-Anhalt – um Hilfe gebeten wird, erfolgt der Einsatz. 156 Einsatzkräfte des DLRG Landesverbandes Westfalen sind mit drei Wasserrettungszügen im Raum Magdeburg eingesetzt.
Hilfe
Die Spenden- und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist wie schon 2002 enorm hoch. Auch Bayern München, Borussia Dortmund oder 1860 München helfen mit Benefizspielen. Die Veranstalter und Teams des Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) spenden den Städten Meißen, Pirna und Herzberg je 100 000 Euro. Drei Millionen Euro stellt der VW-Konzern zur Verfügung: eine Million Euro zur Unterstützung von Infrastrukturmaßnahmen, im Wert von einer Million Euro werden Transportfahrzeuge bereitgestellt und eine weitere Million Euro, um Betroffenen beim Ersatz ihres Fahrzeugs zu helfen.
Fotos: Mit schwerem Gepäck, Stiefeln, Feldbett und Feuerwehrausrüstung geht es ins Hochwassergebiet: Vom Kreisfeuerwehrverband Paderborn fährt Benedikt Michaelis (rechts) den Rettungswagen und Rolf Meier (50) aus Brenken den Abrollwagen mit Dusche und WC an Bord.
Bericht: Westfälisches Volksblatt