Retter in 120 Sekunden vor Ort.Flughafen übt mit mehr als 300 Einsatzkräften Menschenrettung nach Flugzeug-Crash.{gallery}news/2015/151102pb1{/gallery}
Den mehr als 150 echten Fluggästen einer Air-Berlin-Boeing aus Mallorca bot sich am Samstagvormittag beim Landeanflug ein gespenstisches Bild: Auf dem Rollfeld wimmelte es von Feuerwehr- und Rettungsfahrzeugen, Wasserwerfern und Einsatzkräften. Rauch stieg aus »Trümmern« der »abgestürzten« Flugzeuge und Wrackteile auf. Dank Informationen aus dem Paderborner Tower hatte der Kapitän der Air-Berlin-Maschine jedoch die heimkehrenden Urlauber auf die spektakuläre Katastrophenübung am Boden eingestimmt – und beruhigt.
Flughafen-Feuerwehrchef Gerd Henke (54) hatte sich für die Übung eine grausige Lage ausgedacht, die nicht nur Flughafen-Geschäftsführer Dr. Marc Cezanne (48) wohl nie in der Wirklichkeit erleben möchte. Die Übungslage ging von einem defekten Funkgerät in einer Cessna-Maschine aus, das zu Verständigungsproblemen unter Piloten mit dem Paderborner Tower führte. Es kam zu einem fiktiven Zusammenstoß der Cessna mit einer Turboprop-Maschine ATR 42: Die Flieger stürzten laut Übungslage am Paderborner Flughafen ab und fingen Feuer. Beide Passagiere der Cessna sowie ein Crew-Mitglied in der mit 22 Menschen besetzten ATR 42 erlitten den Übungstod.
Großalarm am Flughafen und kreisweit bei Feuerwehren und Rettungsdiensten: Binnen 120 Sekunden nach Alarm brachte die Flughafen-Feuerwehr ihre 700?000 Euro teuren Flugfeldlöschfahrzeuge mit jeweils 10?000 Liter Wasser an Bord in Position, um das Feuer an der in zwei Teilen zerbrochenen ATR zu bekämpfen. »Es geht jetzt darum, Wrackteile zu löschen, kalt zu halten und für Passagiere eine überlebensfähige Atmosphäre zu schaffen«, erklärte Dirk Nölting (60), Leiter der Kreisfeuerwehrzentrale.
Mit dem Eiltempo der Flughafenfeuerwehr, die im Alltag auch für die Passagier- und Flugzeugabfertigung zuständig ist, war Dirk Nölting hochzufrieden: »Das ist in Ordnung«. Es dauerte jedoch recht lange, bis die »verletzten« Passagiere das Flugzeug (dargestellt von einem Container) verlassen konnten. Im Ernstfall sollen Rutschen den bedrohten Passagieren den Fluchtweg erleichtern. Das soll mit Crew-Unterstützung in wenigen Minuten geschehen.
Die Passagiere der Cessna, die übungsgerecht weiter weg in einem Waldstück abgestürzt war, wurden erst von den Zug um Zug heranrückenden Feuerwehren und Rettungsdiensten aus dem Paderborner Land betreut. Für sie kam ohnehin laut Übungslage jede Hilfe zu spät.{gallery}news/2015/151102pb2{/gallery}
Beobachtern fiel auch auf, dass einige »Verletzte« schreiend und hilflos umherirrten, bevor sie Rettungskräften auffielen. In der Stress- und Ausnahmesituation kümmerten sich Retter vorwiegend zunächst um jene Menschen, die auf einem Sammelplatz zusammengeführt worden waren. Die Verletzten wurden von 21 Mitgliedern aus acht DLRG-Gruppen gemimt: Bürener DLRG-Mitglieder gelten als Spezialisten und sind als Unfalldarsteller besonders geschult, weiß DLRG-Betreuer Michael Petersen (48) aus Bad Lippspringe.
In die mehrstündige Flughafen-Übung war erstmals auch das St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn mit dem Leitenden Oberarzt Dr. Matthias Rüther eingebunden. Die Klinik wollte proben, wie sie einen Massenanfall an Verletzten bewältige. 18 Krankenwagen brachten »Verletzte» zum Vincenz. Im Ernstfall werden Verletzte allerdings auf mehrere Krankenhäuser verteilt.
Nach der Großübung unter Augen von Kreisbrandmeister Elmar Keuter sollen die Ergebnisse der Beobachter in den nächsten Tagen ausgewertet werden. Der Flughafen muss nach Standards der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) regelmäßig solche Übungen durchführen, um im Ernstfall gewappnet zu sein. Die Übung am Samstag war nach der letzten in 2011 überfällig. Allerdings führt die Paderborner Flughafen-Feuerwehr (60 Mitarbeiter) kleinere unangemeldete Übungen (Crash-Alarm) monatlich etwa fünf Mal durch, sagt Dirk Nölting.
Westfälisches Volksblatt Von Karl Pickhardt
Fotos: Marc Köppelmann{gallery}news/2015/151102pb3{/gallery}