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15. November. Paderborn.

Prävention, die unter die Haut geht. Mit 50 Crash-Kursen hat die Polizei Paderborn 17000 Fahranfänger erreicht.{gallery}news/2017/171115pb{/gallery}

 

Paderborn: Mehr als 17000 junge Menschen hat Reinhard Graumann seit 2010 zu den Crash-Kursen begrüßt. »Reingekommen sind sie fröhlich, rausgegangen oft sehr still«, erzählt der Verkehrssicherheitsberater der Polizei Paderborn. Denn das, was sie dort über Ursachen und Folgen von Verkehrsunfällen erfahren, geht unter die Haut.
So auch gestern beim 50. Crash-Kurs der Kreispolizeibehörde vor fast 400 Ludwig-Erhard-Berufsschülern in der Maspernhalle. »Unfälle passieren nicht einfach so. Sie haben eine Ursache, und die ist in der Regel menschliches Versagen. Aber deshalb können wir einiges tun, um sie zu verhindern«, erläuterte Schulleiter Alfons Bölte, warum das Berufskolleg so viel Wert auf diese Veranstaltung legt.

Unter die Haut geht sie, weil die Schüler kein trockener Vortrag erwartet, sondern fünf eindrückliche Schilderungen von Betroffenen. Feuerwehrchef Ralf Schmitz, Notärztin Dr. Adelheid Spils ad Wilken, Polizeihauptkommissar Thomas Samuel, Notfallseelsorgerin Sabine Schmitz und Polizeioberkommissar Andreas Drost, der selbst seinen Bruder durch einen Motorradunfall verloren hat, berichteten aus ihrer Perspektive von schweren Unfällen mit jungen Menschen, die alle hätten vermieden werden können.
»Das ist sehr beeindruckend«, sagt Jana (25), die eine ganze Weile nach Veranstaltungsende zusammen mit ihren Mitschülerinnen noch in der Halle sitzt. »Besonders die Schilderung der Notärztin und des Polizisten, der seinen Bruder verloren hat, haben mich sehr berührt.« Adelheid Spils ad Wilken hatte von einer Einsatznacht erzählt, in der sie im Johannisstift, zuerst den Unfallfahrer, der einen Lungenriss erlitten hatte, und dann seine Beifahrerin mit schwersten Beckenverletzungen versorgen musste. Selbst sie als Profi musste in dieser Nacht weinen. »Erschüttert war ich, als ich erfuhr, wie es zu dem Unfall kam«, erzählte die Medizinerin. »Die junge Frau hatte ihren Freund von einer Betriebsfeier abgeholt. Vor Ort sagte er, sie könne jetzt rüberrutschen, es sei ja schließlich sein Auto.« Die Fahrt mit 2,3 Promille Blutalkohol endete vor einem Baum. »Setzen Sie sich nicht zu jemand ins Auto der alkoholisiert ist. Seien Sie mutig«, appellierte Spils ad Wilken.

Welche Folgen Unachtsamkeit haben kann, machte die Schilderung von Andreas Drost drastisch deutlich. Sein Bruder, ein erfahrener Motorradfahrer hatte nur kurz jemand am Straßenrand gegrüßt, war an den Bordstein geraten und vor eine Plakatwand geschleudert worden. Mit einem Absperrband demonstrierte Drost, warum schon eine Sekunde Unachtsamkeit, zum Beispiel ein kurzer Blick auf Handy, ausreichen kann, um eine Katastrophe auszulösen. »Bei Tempo 100 auf der Landstraße bedeutet eine Sekunde 28 Meter Blindflug«, zeigte er auch mit einem entsprechend langen Absperrband. »Das habe ich selbst erlebt«, räumte Schülerin Lea nachher sichtlich bewegt ein.

»Seitdem die Kurse 2010 gestartet sind, sind die schweren Unfälle, in die junge Fahrer verwickelt sind, im Kreis Paderborn deutlich zurückgegangen«, sagt Graumann. Dazu hätten neben den Kursen auch andere Faktoren beigetragen, wie das begleitete Fahren und das Alkoholverbot für Fahranfänger. »Aber die Kurse wirken bei den jungen Leuten nach«, ist er überzeugt.

Westfälisches Volksblatt von Maike Stahl