Rescue Days: Wie sich Amerikaner und Deutsche bei der Rettung unterscheiden. Feuerwehrleute aus aller Welt üben in Paderborn mit Spitzentechnik.
Paderborn. „Hier schneiden und dann raus damit“, sagt Gary Klaus mit hörbar amerikanischen Akzent. Der Mann mit auffälligem roten Helm ist Ausbilder der Firma Weber Rescue, Veranstalter der Rescue Days, die noch bis Sonntag auf dem ADAC-Trainingsgelände in Paderborn-Mönkeloh stattfindet. Er zeigt den Teilnehmern, wie in den USA gerettet wird, was sich durchaus von der deutschen Herangehensweise unterscheidet.
„Wir haben weniger Leute, aber wir arbeiten schneller“, erklärt der US-Amerikaner den Teilnehmern der Rescue Days. Die Amerikaner sind für eine schnelle, aber teilweise sehr brachiale Rettung bekannt. Die Teilnehmer üben, eine Puppe, die den Patienten darstellt, aus einem Auto zu befreien, dass unter einem Lastwagen feststeckt. Dies ist eine von insgesamt acht Stationen rund um das Thema Retten und Bergen mit hydraulischen Rettungsgeräten.
„Bei uns dominiert die patientenschonende Rettung“, erklärt Cyrill Stute von der Paderborner Feuerwehr, der an der Organisation der Rescue Days mitgewirkt hat. Trotzdem lässt sich von den Amerikanern einiges lernen. An den anderen Stationen steht die europäische, schonende Rettungsvariante im Fokus.
Ursprünglich sollte die Veranstaltung prominent im Schlossgarten von Schloß Neuhaus stattfinden, zeitweise war der Maspernplatz im Gespräch. Der Tornado und organisatorische Schwierigkeiten machten das unmöglich. Auch der sonst übliche Publikumstag am Sonntag fällt dieses Jahr deshalb weg. Schon so war die Organisation herausfordernd: So ließen sich für den Shuttleservice zum Parkplatz an der Home-Deluxe-Arena keine Busunternehmen finden.
Letztlich fiel die Wahl kurzfristig auf das ADAC-Testgelände am Autohof Mönkeloh, wo die acht Themengebiete mit jeweils zwei Stationen vertreten sind. Alle 90 Minuten wird die Station gewechselt. Die Lehrgänge dauern jeweils zwei Tage. Samstag kommen neue Feuerwehrleute. Der Andrang ist groß. 2021 waren die Rescue Days in München geplant, fielen aber pandemiebedingt aus. Normalerweise besucht das Orga-Team die Veranstaltung des Vorjahres, um ein Gefühl für die Veranstaltung zu bekommen.
Ticket für zwei Tage Rescue Days kostet 800 Euro
Unter den insgesamt 526 Feuerwehrleuten, darunter aus Japan, Osteuropa, der Schweiz, den USA, Frankreich und Österreich, waren auch einige Kameraden aus dem Kreis Paderborn. Marian Hamschmidt, vom Löschzug Westenholz der Freiwilligen Feuerwehr Delbrück, hat für den Tag nicht nur Urlaub genommen, sondern sogar das 800 Euro teure Ticket aus eigener Tasche bezahlt. Besonders faszinierte den 29-Jährigen die Kettenrettung, die im Kreis sonst kaum gelehrt wird.
Ausgangsszenario ist hier ein Auto, das sich um einen Baum gewickelt hat. „Wir wollen das Fahrzeug in die Ursprungsform zurückbringen, um besser an den Patienten zu kommen“, erklärt Torsten Winter, Vertriebsleiter Norddeutschland bei Weber Rescue. Dafür nutzt die Feuerwehr eine Seilwinde und Ketten. Andere Stationen zeigen Autos unter Lastkraftwagen, auf Barrieren oder nach einem Heckaufprall. Außerdem sind das Heben, Sichern und Stabilisieren sowie die Rettung aus Bussen und Lastwagen Themen.
Kleines Highlight: Schneiden an fabrikneuen Autos
Ein kleines Highlight dürfte das Schneiden an Null-Serienfahrzeuge sein. Dabei handelt es sich um fabrikneue Autos, die komplett zerlegt werden. Unter anderem wird an dem Elektroauto VW ID3 geschnitten. Die Fahrzeuge gehen danach zurück zum Hersteller, der die Ergebnisse für die Fahrzeugentwicklung nutzt.
Von der Kreisfeuerwehrzentrale aus Büren-Ahden nahmen Guido Niggemeier (auch bei der Feuerwehr Borchen) und Jens Götte (auch Feuerwehr Büren) teil, die beide begeistert waren. „Ich will auf dem neusten Stand bleiben“, so Götte. Die beiden hauptamtlichen Feuerwehrleute warten Feuerwehrgeräte im Kreis und bringen Feuerwehrfahrzeuge bei Großschadenslagen an Einsatzstellen im Kreisgebiet.
Kostenfrei profitieren viele Mitglieder der Paderborner Feuerwehr von den Rescue Days, da sie als Helfer an den Stationen Hand anlegen und trotzdem die Lehrinhalte mitbekommen. „Jeder von uns hat einen Werkzeugkasten an Wissen. Nun kommen weitere Werkzeuge dazu, dass im Einsatzfall viel nützen kann“, sagt Brandmeister Magnus Meyer, der am Morgen vom absolvierten 24-Stundendienst der hauptamtlichen Paderborner Feuerwehr zusammen mit seinem Kollegen direkt zu den Rescue Days fuhr.
„Wir hatten zum Glück eine ruhige Schicht“, ergänzt sein Kollege Michael Thiele-Hillemeyer. Am Wochenende haben sich zahlreiche ehrenamtliche Feuerwehrleute aus Stadt und Kreis Paderborn als Helfer gemeldet, während an den ersten beiden Tagen größtenteils Berufsfeuerwehrleute helfen. Paderborns oberster Feuerwehrmann Ludger Schmidt sagte zudem, dass die Leiter der Feuerwehren im Kreis als VIP-Gäste eingeladen worden sind.
Den Teilnehmern geht es aber auch um die gegenseitige Vernetzung und den Erfahrungsaustausch. Da ist der Amerikaner Gary Klaus natürlich ein beliebter Gesprächspartner, der von den Paderbornern gut umsorgt wird. „Als Erstes wollte er mal ein deutsches Schnitzel essen“, erinnert sich Cyrill Stute. So viele Feuerwehrleute wie aktuell waren wohl noch nie in Paderborn. Dies zeigt sich auch an den ausgebuchten Hotels und Restaurants im Stadtgebiet. Für den stellvertretenden Geschäftsbereichsleiter bei Weber Rescue, Hanno Diekmann, ist es übrigens auch ein Heimatbesuch. Er ist in Paderborn aufgewachsen.
Wer steckt hinter Weber Rescue?
Weber Hydraulik stellt hydraulische Systeme für mobile Arbeitsmaschinen, Nutzfahrzeuge und Werkzeugmaschinen her. Seit 1974 verkauft das Unternehmen unter der Marke Weber Rescue hydraulische Rettungsgeräte für Feuerwehren und das THW wie Schere, Spreizer und Rettungszylinder und ist damit deutschlandweit Marktführer. Die Paderborner Feuerwehr arbeitet ausschließlich mit Geräten dieser Firma. Aus dieser Zusammenarbeit entstand auch die Idee, die Rescue Days, um die Städte in ganz Deutschland buhlen, nach Paderborn zu holen.
Bericht: Westfälisches Volksblatt