Mehr als 70 Liter Niederschläge in der vergangenen Woche in Paderborn, in den Höhenlagen auch mehr, bescherten dem Kreis Paderborn über die Weihnachtsfeiertage nicht nur ein feuchtes Fest, sondern ein handfestes Hochwasser.
Kreis Paderborn. Was die Katastrophenschützer bei der Bezirksregierung als „Dauerregenlage Weihnachten 2023“ fassten, verschärfte sich vor allem im Paderborner Stadtteil Schloß Neuhaus zu einem sogenannten „hundertjährigen Hochwasser“, das massiv den Ortskern bedrohte. Waren es zunächst vor allem die Fluten der Alme, die eine Gefahr darstellten, so verschob sich der Fokus am Montag auf die Lippe, die über die Feiertage immer mehr Wasser Richtung Schloß Neuhaus schickte.
Obwohl die die Wasserstände die Schwelle des Warnwertes 2 (orange) überschritten hatten, gibt es keine Informationen über Personenschäden. In Zusammenarbeit mit dem Wasserverband Obere Lippe und der Unteren Wasserbehörde wurde der Ablauf aus dem Hochwasserrückhaltebecken Husen/Dalheim reduziert, um die Alme zu entlasten. Am Montagnachmittag waren alle verfügbaren Rückhaltebecken komplett eingestaut.
Bis zum Dienstagvormittag waren der Bezirksregierung mehr als 230 Einsätze aus dem Kreis Paderborn gemeldet worden, bei denen rund 650 Kräfte eingesetzt waren. Bei den 185 Hochwassereinsätzen schulterten die Feuerwehren den Löwenanteil der Arbeit. Tatkräftig unterstützt wurden sie von Helfern des Technischen Hilfswerks (THW) und der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG).
Bereits am Samstag meldete Delbrück „landunter“ für die Lippeniederung im Bereich der Stadtteile Bentfeld und Anreppen. In einer Gemeinschaftsaktion füllten die Einsatzkräfte tausende von Sandsäcken, um bedrohte Bereiche, etwa am Birkenkamp in Nordhagen, vor Überflutungen zu schützen. Am Dienstagmorgen lag der Pegel der Lippe bei Bentfeld stabil bei 3,41 Metern. Fotografen bescherte die überflutete Lippeaue eine Vielzahl ungewohnter Motive.
Gespeist wurde das Lippehochwasser durch Hochwasserwelle über die Alme Richtung Paderborn. Sprunghaft stieg der Almepegel in Weine um fast einen Meter, und erste Überflutungen wurden Büren, Wewelsburg und Brenken manifest, wo die Feuerwehr mehrere tausend Sandsäcke zum Schutz der Bebauung legte.
Ebenfalls betroffenen war der Borchener Ortsteil Nordborchen. Hier war es vor allem der tiefer liegend Bereich der Straße „Auf der Schweiz“. In diesem Bereich musste die Feuerwehr immer wieder treibende Bäume und Astwerk aus dem Fluss entfernen, damit das Wasser der Alme ungehindert abfließen konnte. Von einer Weide in Alfen rettete die Feuerwehr mehrere Schafe, die vom Wasser eingeschlossen waren.
In der Nacht zum zweiten Weihnachtstag war der Löschzug Kirchborchen der Feuerwehr Borchen in der Bachstraße mit mehreren Gruppen im Einsatz, um die Wassereinläufe freizuhalten, da immer wieder angespültes Treibgut das Wasser aufstaute. Einige Stunden später gab es das gleiche Spiel für den Löschzug Nordborchen in der Straße „Auf der Schweiz“. Außerdem mussten Morgen pro Minute 9.000 Liter Wasser aus vollgelaufenen Kellern von einem Reiterhof in die Alme gepumpt werden. Dort waren die Löschzüge Nordborchen und Dörenhagen im Einsatz.
In Bad Lippspringe kam es aufgrund des Dauerregens zu einer Durchweichung des Hochwasserdeiches Kreuzweg/Sandweg. Einsatzkräfte der Feuerwehr sicherten den Deich auf einer Strecke von 30 Metern. Ein THW-Fachberater Deichbau gab den Feuerwehrleuten wertvolle Tipps. Weitere Sicherungsmaßnahmen mit Sandsäcken gab es an Heiligabend auch am Jordan, der mitten durch ein eng besiedeltes Gebiet fließt. Dort gab es auch einen Eklat mit einem Anwohner im Bereich der Straße Mittelgraben. Er beschimpfte und beleidigte die Einsatzkräfte, die auch sein Hab und Gut schützen wollten, in übelster Weise. Über diesen Zwischenfall waren nicht nur die Feuerwehrleute, sondern auch die übrigen Nachbarn fassungslos, die froh waren, dass ihnen Feuerwehr und Bauhof mit Sandsäcken Schutz vor den Fluten brachten.
Am ersten Weihnachtsfeiertag stiegen die Pegel entlang der Lippe. Betroffen war erneut der historische Ortskern im Stadtteil Schloß Neuhaus. Mit rund 10.000 Sandsäcken und 60 Big Packs sicherten Feuerwehr und THW den Bereich Amtsweg und Am Schlossgarten und verhinderten, dass das residenzband, die Sertürnerschule und mehrere Wohnhäuser geflutet wurden. Sicherungsarbeiten waren auch am Schloss notwendig. Dort mussten Kabeldurchführungen im Bereich der Schlossgräfte abgedichtet werden. Im Bereich der Kaiser-Heinrich-Straße beseitigen Feuerwehr und Stadtentwässerungsbetrieb großflächige Überflutungen im Straßenbereich.
In den frühen Morgenstunden des Dienstags mussten Wassermengen aus der Lippe, die über die Regenwasserentwässerung hinter den Deich drückten, mit Hilfe vom Pumpen zurück in die Lippe geleitet werden. An den Einsätzen in Schloß Neuhaus, die mobil vom Einsatzleitwagen der Feuerwehr Paderborn in Neuhaus geleitet wurden, waren rund 230 Kräfte von Feuerwehr, THW und DLRG beteiligt. Für die Sandsackbarrieren wurden rund 300 Tonnen Sand benötigt.
Neben der Hochwasserlage bewältigte die Feuerwehr Paderborn rund 100 weitere Einsätze. Neben einer Vielzahl von Rettungsdiensteinsätzen gab es auch mehrere Alarme von Heimrauchmeldern und die Auslösung einer Brandmeldeanlage in eine Elsener Seniorenwohnanlage. In einem Mehrfamilienhaus an der Mälzerstraße in Paderborn stand die die Feuerwehr am späten Montagnachmittag bei einer Bedrohungslage im Zuge der Amtshilfe für die Polizei in Bereitschaft, bis zu drei Wohnungen in dem betroffenen Gebäude per Drehleiter zu evakuieren.
Bericht: Ralph Meyer VdF