27. Juli. OWL.

Freiwillige Feuerwehr in OWL. Nur bedingt einsatzbereit, Bezirksregierung muss Gründung von hauptamtlichen Wachen prüfen.



Bielefeld (NW). Die Feuerwehr in NRW hat offenbar ein Zeitproblem. Nach Angaben von Experten fällt es ich immer schwerer, im Alarmfall ausreichend Kräfte schnell zum Brandort zu bringen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Tatsache, dass die meisten Freiwilligen Feuerwehrleute tagsüber nichtverfügbar sind. Sie sind nicht in der Nähe ihrer Heimatorte, sondern arbeiten als Pendler in Unternehmen, die häufig viele Kilometer entfernt liegen.
Vor allem ländliche Regionen seien davon stark betroffen, sagt der lippische Kreisbrandmeister Karl-Heinz Brakemeier. In den Dörfern gebe es fast kaum noch Handwerker und Landwirte, die Erwerbstätigkeit finde weit außerhalb statt.

Folge: Bricht tagsüber mal ein Feuer aus, „kann es fast keine Einheit der freiwilligen Feuerwehr mehr alleine schaffen“. Auch die Bezirksregierung in Detmold kennt das Problem, das mittlerweile sogar auch schon größere Kommunen infiziert hat. Nach dem Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung in NRW sind alle Gemeindenverpflichtet, „leistungsfähige“ Feuerwehren zu unterhalten.

Laut § 13 müssen auch große und mittlere kreisangehörige Städte ab 25.000 Einwohnern eigentlich eine ständig besetzte Feuerwache mit hauptamtlichen Kräften haben. Die Bezirksregierungen können von dieser gesetzlichen Regel jedoch Ausnahmen zulassen. Wie Jörg List, Dezernatsleiter Gefahrenabwehrbei der Bezirksregierung Detmold, bestätigt, wurde von 17 Kommunen aus OWL eine solche Ausnahmegenehmigung beantragt, um weiter vorrangig mit freiwilligen ehrenamtlichen Kräften arbeiten zu können, weil diese weniger Kosten verursachen.

Die Namen der Kommunen will die Bezirksregierung nicht nennen. Man wolle sie „nicht an den Pranger stellen“, hieß es zur Begründung. Denn eine Überprüfung habe ergeben, dass die Feuerwehren der 17 Kommunen leistungsmäßig nicht optimal aufgestellt waren. Das habe auch die Einsatzzeiten betroffen. Nach einer Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) sollten mindestens neun Feuerwehrleute binnen acht Minuten nach einer Alarmierung am Brandort sein, weil ansonsten die Überlebenschancen von eingeschlossenen Menschen nur noch gering sind
Alle Feuerwehren „machen derzeit erhebliche Klimmzüge“, um diese Vorgabe, die auch viele OWL-Kommunen in ihren Brandschutzplänen aufgenommen haben, einzuhalten, sagt der Lippische Kreisbrandmeister Brakemeier.
Das sei ohnehin „niemals zu 100 Prozent“ zu schaffen“, sagt Christoph Schöneborn, Geschäftsführer des Feuerwehrverbandes NRW. Wegen der verbesserten Technik seien heute auch nicht mehr unbedingt neun Einsatzkräfte nötig, um einen wirksamen„ Erstangriff“ zu fahren.

Trotzdem macht sich auch Schöneborn Sorgen um die „Tagesverfügbarkeit der Feuerwehr“.
Vor allem in ländlichen Regionen habe sie abgenommen, sagt er. Zu der Pendlerproblematiknkämen noch Nachwuchsprobleme hinzu. Die Bezirksregierung Detmold hat mit den Kommunen nun Konzepte entwickelt, um die Leistungskraft und Schnelligkeit der Feuerwehr zu verbessern.
Beispielsweise sollen Feuerwehrautos direkt auf dem Werksgelände von Firmen abgestellt werden, in denen freiwillige Feuerwehrleute arbeiten.

Infokasten:
In Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 130.000 Feuerwehrleute. ´ Die mit Abstand meisten von ihnen sind freiwillige Kräfte, die ehrenamtlich tätig sind. ´ Nach Angaben des Feuerwehrverbandes arbeiten in NRW 8.480 Personen in der Berufsfeuerwehr. 4.830 sind in Werksfeuerwehren beschäftigt.

Kommentar:
Die Feuerwehr in Deutschland besteht zum allergrößten Teil aus freiwilligen Kräften. Ihre ehrenamtliche Arbeit kann man nicht genug loben. Sie ist auch fachlich sehr hoch einzuschätzen. Retten, Bergen, Löschen, Schützen – all das gelingt im Alarmfall meistens schon nach wenigen Minuten.
In Zukunft dürfte es aber schwieriger werden, dieses hervorragende Leistungsniveau zu halten. Zum einen macht der demografische Wandel auch der Feuerwehr zu schaffen. Nachwuchskräfte sind nicht leicht zu finden. Außerdem sind in ländlichen Regionen kaum noch lukrative, moderne Arbeitsplätzezu finden. Die Menschenpendeln deshalb vom Land in die Stadt. Der Weg für einen plötzlichen Feuerwehreinsatzim Heimatort wird dadurchzu lang. Es ist eine Zwickmühle Obwohl viele OWLFirmen ein Herz für die freiwillige Feuerwehr haben, wundert es nicht, wenn die sogenannte Tagesalarmsicherheit sinkt und Einsatzvorgaben nur noch sehr schwer zu stemmensind.
Mehr hauptamtliche Wachen sind aus Kostengründen aber auch keine Lösung des Problems. Menschen, die in der freiwilligen Feuerwehr ihren Dienst tun, müssten allgemein mehr Unterstützung erfahren. Sie könnten zum Beispiel bei Einstellungen im kommunalen Dienst bevorzugt werden, wie es der Feuerwehrverband bereits vorgeschlagen hat.

Bericht / Kommentar:  Neue Westfälische