11. Juni. Schönebeck Sachsen Anhalt.

Sie sind die »Engel vom Deich«
Paderborner Feuerwehrmann verletzt – 50 frische Kräfte lösen erschöpfte Kameraden ab – Einsatz verlängert.
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Kreis Paderborn/Magdeburg (WV). Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, und DLRG aus dem Kreis Paderborn sind zu unentbehrlichen Helfern im Elbe-Hochwassergebiet im Raum Magdeburg geworden. Der Einsatz der Paderborner Hilfskräfte wird daher um zwei Tage auf Donnerstagabend verlängert.

Paderborner Helfer schuften an der Elbe bei Schönebeck Schulter an Schulter mit Kameraden aus Ostwestfalen-Lippe und Einheimischen in Zwölf-Stunden-Schichten, um Deichbrüche zu verhindern oder zu bekämpfen. Bis zur Erschöpfung, auch nachts: Inzwischen sollen mehr als eine Million Sandsäcke in Schönebeck verbaut worden sein. Gestern Abend sind 50 frische Feuerwehrkräfte aus dem Kreis Paderborn in Büren-Ahden in einem Bus Richtung Elbe gestartet, um erschöpfte Helfer abzulösen. Ein Paderborner Feuerwehrmann ist verletzt: Er hat sich mit Sandkörnern eine Augenentzündung zugezogen und ist in der Augenklinik in Magdeburg behandelt worden

»Danke an alle Helfern«, lesen die Paderborner, die für die Bevölkerung zu Helden geworden sind, an Garagen- und Hauswänden. Der Paderborner Einsatzleiter und Vize-Kreisbrandmeister Bernhard Lücke (60) aus Fürstenberg, der in seinen 43 Feuerwehrjahren schon viel erlebt hat, berührt die Einsatzfreude der Menschen: Selbst Ordensfrauen schaufelten im Ornat Sand.

Binnen weniger Minuten meldeten sich 150 bis 300 Jugendliche, wenn im Radio zur Mithilfe wegen eines drohenden Deichbruches aufgerufen werde. So wie gestern Nachmittag: 425 Brandschützer, Wasserretter und Bürger vereinigten sich an einer kritischen Deichstelle und verbauten tausendfach Sandsäcke. Unter Anleitung der Feuerwehr haben Bürger einen Pendelverkehr mit mehr als 180 Schubkarren eingerichtet. »Wenn ich das hier sehe, weiß ich, warum ich Feuerwehrmann geworden bin«, sagt Lücke.

Die Helfer aus Westfalen erfahren eine Welle der Sympathie und Dankbarkeit und sind für die Einheimischen die »Engel vom Deich« geworden: Sie versorgen ihre Helden, wo immer es nur geht. Kuchen, Pizza, Gegrilltes. Wie selbstverständlich dürfen Helfer die Toiletten in Privatwohnungen nutzen. »Das geht schon unter die Haut«, sagt Lücke.

Die DLRG-Ortsgruppe Büren um Dirk Kleeschulte (40) hat gestern Morgen um 5 Uhr das Einsatzgebiet Schönebeck mit acht Frauen und Männern erreicht. Die Boots- und Tauchgruppe führt auch das Bürener DLRG-Boot mit. Das Technische Hilfswerk Paderborn und Büren ist inzwischen mit 57 Kräften vor Ort. Am morgigen Donnerstag will Landrat Manfred Müller »seine Mannschaft« in Schönebeck besuchen.

Mehr als 400 Paletten Sandsäcke haben die Helfer an den Deichen der 33   000-Einwohner-Stadt an der Elbe verbaut – und damit die Stadt weitgehend vor den Fluten gerettet. Seit Freitag sind die Mitglieder der Bezirksreserve Paderborn/Höxter nahezu pausenlos im Einsatz – und mittlerweile am Ende ihrer Kräfte. Als einzige Frau der Paderborner Truppe will Birgit Schmigelski (49), die ihr Schützenfest im heimatlichen Oberntudorf geopfert hat, bis Donnerstagabend durchhalten. Sie reiht sich in die Sandsack-Riegen ein.

Nach einer kurzen Nacht zu Sonntag, in der die Feuerwehrkollegen aus Höxter die Deichwache übernommen haben, mussten die Paderborner Kräfte am frühen Montagmorgen wieder in den Einsatz. In Grünwalde nahe Schönebeck hatten sich faustgroße Löcher im Damm gebildet. Gemeinsam mit Kräften aus Bielefeld wurde dieser Abschnitt den ganzen Tag über gesichert.

Für Niklas Schäfers, mitgereister Pressesprecher des Kreisfeuerwehrverbandes, ist die Einsatzbereitschaft seiner Kameraden und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung enorm. Der Rhythmus der Kräfte sieht einen vierstündigen Einsatz am Deich vor. Dann gibt es eine einstündige Pause, bevor der nächste Vier-Stunden-Einsatz ansteht. Längere Zeit zum Verschnaufen gibt es nicht. »Selbst das Essen und das Trinken wird an die Deiche gebracht«, erläutert Niklas Schäfers. Das Hochwasser übersteige alle Vorstellungskräfte.
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»Wenn ich das hier sehe, weiß ich, warum ich Feuerwehrmann
geworden bin«, sagt Vize-Kreisbrandmeister Bernhard Lücke
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Das THW Paderborn sichert mit anderen Verbänden ein Wohnhaus in
Schönebeck. Und immer wieder heißt es »Sandsäcke schleppen«.
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Schulter an Schulter: Paderborner Feuerwehrkräfte bringen zusammen
mit weiteren Helfern zigtausend Sandsäcke zu den Deichen der Elbe in
Schönebeck. Ständig müssen Risse geflickt werden. Der Paderborner
Einsatz wird bis Donnerstagabend verlängert. Fotos: Feuerwehr

Fete als Dank
Auch in der Heimat wird die Arbeit der Paderborner Einsatzkräfte hoch geschätzt. Die
Bäckerei Lange hat gestern durch Geschäftsführerin Birgit Laufs (Salzkotten) eine Dankeschön-
Veranstaltung für alle örtlichen Helfern angeregt. Lange spendiert die Brotwaren und hofft auf weitere Sponsoren für die Dankeschön-Fete. Auch im Paderborner Kreishaus werden
Überlegungen angestellt, wie den Helfern, die tagelang bis zur Erschöpfung gearbeitet haben, gedankt werden kann, berichtet Landrat Müller. Aktuelle Informationen zum Einsatz gibt es im Internet. www.kfv-paderborn.de

Bericht: Westfälisches Volksblatt
Von Karl Pickhardt und Jürgen Vahle

 

Neue Westfälische

Dauereinsatz an den aufgeweichten Deichen. 50 frische Einsatzkräfte der Feuerwehr an der Elbe im Einsatz / Führungskräfte werden nicht ausgetauscht


Kreis Paderborn/Schönebeck (my). Die Helfer aus dem Hochstift, die seit Freitagnacht beim Elbe-Hochwasser in Schönebeck eingesetzt sind, werden voraussichtlich noch bis Donnerstag gebraucht, um in "Ost-Elbien" die weich gewordenen Deiche zu verstärken.
Gestern Morgen verschlechterte sich die Lage trotz sinkender Pegelstände rapide, so Niklas Schäfers. Sprecher des Kreisfeuerwehrverbandes. In Höhe Grünewalde, direkt gegenüber von Schönebeck, waren 350 Meter Deich gefährdet. Um 8 Uhr wurde Alarm ausgelöst. Wasserseitig verstärkten Helfer der Deutschen-Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) den Deich mit Planen und Eisenstangen. Landseitig schafften rund 180 Helfer mit einer Schubkarren-Stafette 25.000 Sandsäcke an den Deich.
Frühmorgens hatten bereits zwei Dutzend Lastwagen Sand angefahren.
Gestern Nachmittag starteten rund 50 Einsatzkräfte an der Kreisfeuerwehrzentrale in Richtung Elbe, um die erschöpften Kräfte, die seit Tagen im Einsatz stehen, auszulösen. Führungskräfte werden nicht ausgetauscht, sie sollen die nachrückenden Kräfte einweisen.

Mit ihrem Hochwasser-Spezialboot sind die Rettungsschwimmer der DLRG Büren am Sonntag zur Hilfe in die Hochwassergebiete abgerückt. Die Bürener gehören zum Wasserrettungszug Detmold 1, der mit sechs Booten und einer Tauchgruppe im Einsatz ist. Deichbau, Evakuierung, Menschenrettung und die Versorgung der Bevölkerung gehören zu möglichen Aufgaben. Vorsitzender Dirk Kleeschulte übernimmt die Zugführung des 5. Wasserrettungszuges aus Westfalen.

Das Technische Hilfswerk meldet, dass zurzeit 46 Kräfte aus Paderborn und 11 aus Büren im Hochwassereinsatz sind.

 Elbe-Flutwelle rollt weiter
Deich gebrochen – Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe – Versicherer wollen schnell zahlen
Magdeburg/Berlin (dpa). Die Hochwasser-Katastrophe sorgt auch nach mehr als einer Woche für dramatische Stunden an den Deichen. Tausende Menschen mussten sich in Sicherheit bringen, weil die Wucht der Flut gestern einen Elbedamm in Sachsen-Anhalt brechen ließ. Wassermassen fluteten Teile des Landkreises Stendal.

Weiter nördlich in Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hofften die Helfer, dass Massen von Sandsäcken die Elbeflut bändigen können. In Niedersachsen hieß es gestern Abend, der Strom habe den Höchststand vielerorts erreicht. »Die Deiche halten. Wir haben im Moment keine kritischen Stellen«, sagte ein Sprecher im Kreis Lüneburg.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf am Nachmittag in Wittenberge (Brandenburg) ein, um sich ein Bild der Lage zu machen. Die Flutschäden in ganz Deutschland werden inzwischen auf eine zweistellige Milliardensumme geschätzt. Ein ohnehin geplantes Treffen der 16 Ministerpräsidenten mit Merkel soll an diesem Donnerstag um Gespräche zur Fluthilfe erweitert werden.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) teilte mit, die deutsche Versicherungswirtschaft habe eine schnelle Regulierung der Flutschäden in den Hochwassergebieten zugesagt. »Die Spitzenverbände der Kredit- und Versicherungswirtschaft haben ein klares Signal der Solidarität und Unterstützung für die Menschen und Unternehmen in den betroffenen Gebieten gegeben«, sagte Rösler gestern nach einem Treffen. Zudem solle es Abschlagszahlungen geben. »Das wird den Geschädigten konkret helfen.«

Gegen Mitternacht war in der Nacht zum Montag der Deich beim Ort Fischbeck im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt auf einer Länge von 50 Metern gebrochen, 1000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde schossen in die Fläche. Die Gemeinde stand mittags einen Meter unter Wasser. 3000 Menschen mussten sich in der Region in Sicherheit bringen, weitere Evakuierungen waren geplant.

Am frühen Morgen sperrten die Behörden aus Sicherheitsgründen eine Eisenbahnbrücke über die Elbe nahe Stendal (siehe Artikel unten). Die Dauer der Brückensperrung war nicht absehbar. Auch in Hohengöhren (Landkreis Stendal) blieb die Lage an der Elbe kritisch, weil ein Deich auf 30 Metern Länge abrutschte. Helfer versuchten, ihn zu halten.

In Magdeburg entspannte sich die Lage unterdessen bei leicht sinkendem Pegelstand. Allerdings ist die Scheitelwelle des Hochwassers sehr lang und dürfte noch mehrere Tage lang gefährlich auf die Deiche drücken. An der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg liefen seit Sonntag planmäßig Polder voll, um die Hochwassersituation zu mildern. In der Nähe von Wittenberge zeigte das bereits Wirkung.

Für Verstimmung sorgte der Einsatz von 29 Feuerwehrleuten aus Erwitte (Kreis Soest). Sie wollten in ihrer Partnerstadt Aken in Sachsen-Anhalt bei der Deichsicherung helfen. Kurz vor dem Start am Sonntag wurde die Gruppe vom NRW-Innenministerium gestoppt. Es sei wichtig, dass die Hilfe koordiniert ablaufe und nicht jeder aufs Geratewohl losfahre, sagte ein Sprecher des Düsseldorfer Ministeriums. Die Helfer aus Erwitte seien für Einsätze in Niedersachsen vorgesehen.

Deutschlandweit starben bislang mindestens sieben Menschen durch die Flut. Merkel hatte bereits vergangene Woche Hochwasserregionen in Bayern und Sachsen besucht und 100 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt.