2. Dezember. Delbrück.

2. Dezember. Delbrück.

Diesem Trio liegt das Helfen in den Genen. Johannes Grothoff (60), Leiter der Feuerwehr Delbrück, Martin Steffens (60), Unternehmer aus Delbrück und der Rentner Heinrich Heinrichs (63), Mitglied der Freien Christen-Gemeinde Lichtenau, bilden zurzeit dem harten Kern der Delbrücker Ukraine-Hilfe.

 

Delbrück. Diese ehrenamtliche Organisation hatte sich nur anderthalb Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 gebildet, und ganze neun Tage später rollte der erste Konvoi mit 14 Fahrzeugen und 155 Paletten mit Hilfsgütern aller Art Richtung Südost-Polen zum Grenzübergang Medyka. Viele Hilfstransporte später hat sich die Hilfe auf die Helfer in der Ukraine fokussiert. Überall in Nordrhein-Westfalen haben Grothoff und die vielen Helfenden Fahrzeuge und Ausrüstung für die Feuerwehr in der Ukraine organisiert, um den Feuerwehrleuten, die nach jedem Bomben-, Raketen- oder Drohnenangriff ihren Landsleuten in akuter Not zur Hilfe leisten, Fahrzeuge und Schutzausrüstung liefern zu können.
Bereits 32 Feuerwehrfahrzeuge sind bereits in die Ukraine gerollt und leisten dort unverzichtbare Dienste. Viele Fahrzeuge sind in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus von den Wehren gespendet oder für kleines Geld gebraucht gekauft worden, denn die Ukraine-Hilfe hat seit ihrer Gründung bereits Spenden für rund 2,5 Millionen Euro eingeworben.

Am Sonntag, 10. Dezember geht der nächste Konvoi auf die Reise Richtung Lwiw. Mit dabei hat das Team der Helfenden diesmal ein Löschfahrzeug (LF20) und einen Rettungswagen aus dem Kreis Herford, ein Löschfahrzeug (LF 8/6) aus Balve im Märkischen Kreis mit einer doppelten feuerwehrtechnischen Beladung sowie einen überholten VW-Bus. Mit auf die Reise gehen fünf Tonnen Lebensmittel, gespendet von der Firma Kühlmann aus Rietberg, sowie Berge an persönlicher Schutzausrüstung – Überjacken, 400 Helme, Hakengurte, Feuerwehrbeile und 600 Paar Stiefel.
Immer wieder gelingt es der Ukraine-Hilfe, Feuerwehrfahrzeuge zu akquirieren. Seine „Wunschliste“ übermittelt Grothoff in der Regel an den Rietberger Landtagspräsidenten André Kuper. Der wiederrum stimmt die Liste mit dem Innenministerium in Düsseldorf ab. Dann landet die Aufstellung beim Verband der Feuerwehren (VdF), dessen Landesgeschäftsführer Christoph Schönborn dann gezielt einzelne Feuerwehren oder Kreisverbände anspricht. Nach Zusage holen Grothoff und Co. die Fahrzeuge am jeweiligen Standort ab. Einzelne Fahrzeuge bekamen die Helfenden auch aus Heidelberg und aus Niedersachsen. Vor der Überführung werden die Oldies technisch überprüft.
Für die Dezember-Fahrt sucht die Ukraine-Hilfe noch Energieriegel für die ukrainischen Soldaten an der Front, Süßigkeiten, Schulmaterial (Malbücher, Buntstifte und Zeichenblöcke), oder auch Spielsachen. Immer gebraucht werden Schlafsäcke und Generatoren. Ebenso Medizinprodukte. „Vielleicht gibt es ja Apotheker, die ihre Lager leeren möchten“, sagte Martin Steffens. Mit im Gepäck haben die Helfenden diesmal auch ein Fahrrad. Das ist eine Spende für eine ukrainische Landärztin, die damit mobiler unterwegs sein kann.

Wurden die ersten Konvois noch von 20 Helfenden und mehr begleitet, gehen am 10. Dezember nur noch sechs Helfer auf die rund 1.300 Kilometer lange Reise bis in die Ukraine. Der Grund liegt in den die hohen Kosten, die für Verpflegung, Betriebsstoffe und Übernachtungen anfallen. Da kommen schnell einige tausend Euro zusammen. „Die Finanzierung für diesen Transport ist noch gesichert, aber dann sind wir dringend auf weitere Hilfe und Barmittel angewiesen“, so Johannes Grothoff.
Grothoff, Steffens und Heinrichs werden diesmal von einem Berufsfeuerwehrmann aus Heidelberg begleitet. Komplettiert wird das „Six Pack“ von einem Holländer und einem Engländer. Die Hilfsgüter sind neben Lwiw und Kiew diesmal auch für die Stadt Tscherniwzi, die traditionelle Hauptstadt der Bukowina im Südwesten der Ukraine, bestimmt. Endeten die ersten Transporte noch an der polnisch-ukrainischen Grenze, werden Fahrzeuge und Hilfsgüter inzwischen direkt zu den Empfängern gebracht.

Das Delbrücker Team weiß auch sehr genau, wo Fahrzeuge und Hilfsgüter bleiben, denn das wird genau dokumentiert. Heiß begehrt in der Ukraine sind auch Stromaggregate. 80 Geräte, die jeweils einen Haushalt versorgen können, haben sie bereits verteilt. Auch zwei Großaggregate, so genannte Netzersatzanlagen, fanden begeisterte Abnehmer. Eine 200 KVA-Anlage auf einem Zweiachs-Anhänger versorgte ein Reha-Zentrum, in dem verwundete ukrainische Soldaten behandelt werden.
Für die Helfenden ist jede Fahrt eine körperliche und mentale Strapaze, und jeder Aufenthalt an der Grenze von Polen zur Ukraine zerrt an den Nerven. Diesen Stress musste Grothoff bereits mit einem Hörsturz bezahlen. Manchmal kommt der Krieg auch sehr nahe. Steffens erinnert sich an 26 Raketeneinschläge bei einer Fahrt in den Raum Lwiw – ganze drei Kilometer entfernt. Doch dann kommen die Momente, die alles wieder wettmachen. Etwa die unbändige Freude von Andrey Sierhieiev, der zum ersten Mal seinen kleinen Sohn Miron sieht, der mit der geflüchteten Ehefrau Maria Diukanova den Konvoi von Delbrück bis nach Lwiw begleitet hat. Oder die strahlenden Augen der Ukrainer, als die Delbrücker bei einer der vergangenen Fahrten palettenweise Saatgut für Gemüse an Bord hatten.

Bei der kommenden Fahrt will Johannes Grothoff eine zusätzliche Nacht in Lwiw verbringen, um die Stadt und deren Bewohner kennen zu lernen. Danach wird er gemeinsam mit Heinrichs nach Rumänien fahren und von dort den Flieger in Richtung Heimat nehmen – das spart Zeit und viel Geld.
Für ihr Engagement haben die Helfer schon viele Dankschreiben und Urkunden bekommen. Mit besonderem Interesse schaut Grothoff einem Treffen mit Ivan Fedorov entgegen. Fedorov ist Bürgermeister der Stadt Melitopol. Während der Besetzung durch russische Streitkräfte wurde Fedorov entführt. Inzwischen haben die Ukrainer die Stadt zurückerobert, und der Bürgermeister wird im neuen Jahr in Nordrhein-Westfalen erwartet.

Infokasten
Geldspenden für die Delbrücker Ukraine-Hilfe können auf das Konto der Freien Christen-Gemeinde Lichtenau bei der Verbundvolksbank Paderborn-Höxter-Detmold eingezahlt werden. Die IBAN lautet DE68 4726 0121 0469 2171 00, BIC DGPBDE3MXXX. Sachspenden können im Elektro-, Heizungs-und Sanitärbetrieb B. Grothoff in Delbrück, Am Zollbrett 2, abgegeben werden.

Bericht: Ralph Meyer VdF